SERP CTR Studien kritisch betrachtet

Immer wieder und in schöner Regelmäßigkeit gibt es Studien zur  Click-Through-Rate von Treffern in Suchergebnisseiten (kurz SERP). Diese Studien sind hilfreich allerdings auch gefährlich. Gefährlich für jeden, der die vorgestellten Ergebnisse einfach auf sich überträgt und sich nicht mit den Methoden und Herleitungen auseinandersetzt. Sprich, auch hier wird jeder bestraft, der nicht selbstständig denken will oder kann.

Ich hatte mich bereits 2008 mit der Auswirkung von navigationsorientierten Suchanfragen auf SERP-Klickstudien beschäftigt.

Da ich mich aber auch auf dem SEO-Day mit Keywordanalysen und CTRs in SERPs beschäftigen werde, gibt es heute einen kleinen Vorgeschmack. Auslöser war aber eigentlich die CTR-Studie von Slingshot, auch wenn diese schon wieder einige Wochen her ist. Aber wie schon gesagt, ich bin leider auch noch etwas hinter meinen Themen her.

Die verschiedenen Arten von CTR-Studien

Es gibt unterschiedliche Arten das Verhalten und die Klicks auf Suchergebnisseiten zu betrachten. Grundsätzlich kann man qualitative und quantitative Verfahren unterscheiden.

Qualitative CTR-Studien

Qualitative Methoden beobachten eine konkrete Gruppe von Nutzern bei der Lösung von Aufgaben. Bekannte Methoden im Fall der SERP-CTR-Studien sind Eye-Tracking, Mouse-Tracking und ähnliche Studien.

Problematisch ist hierbei, dass die zu lösenden Aufgaben meist nicht die Bedürfnissen der Nutzer widerspiegeln oder keine repräsentative Gruppe ausgewählt wird. Beide Probleme sind bei Studien zum Verhalten auf Suchmaschinenergebnisseiten kaum zu lösen. Bei vielen Millionen unterschiedlicher Suchanfragen am Tag lassen sich kaum ausreichend große Sets definieren um wirklich verlässliche Ergebnisse zu erzielen. Die Enquiro-Studie vom 05.10.2010 beispielsweise wurde mit 20 Personen durchgeführt.

Google Eye-Tracking Studie
Google Eye-Tracking Studie

Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Studien dieser Art, wie die von Martin kommentierten Studien zur Universal Search oder diese Studie von 2006.

Letztere zeigt die Gefahr überdeutlich. Die dort angegebenen Zahlen wurden durch die komplette SEO-Szene getragen ohne sich auch nur im Ansatz kritisch mit der Studien zu beschäftigen. Die bunten Bildchen waren zu einfach wiederzugeben und der schnelle SEO-Artikel über neue CTRs ruck-zuck fertig.

Natürlich sind die Zahlen der Studien nicht allgemeingültig und die meisten Posts waren deswegen einfach nur grober Unsinn. Solche Studien können uns zum nachdenke anregen und sollen uns offensichtliche Probleme zeigen. Valide Daten für einen Forecast liefern sich aber nicht.

Vor allem bei qualitativen Studien ist es wichtig die Studien im Original zu lesen. Was war die Aufgabenstellung, welche Frage wollten die Auftraggeber klären. Wie wurden die Probanden ausgewählt und wie wurde Studie methodisch durchgeführt. Wenn Ihr diese Fragen nicht beantworten könne, vergesst alles, was veröffentlich wird! Und wenn Ihr methodische schwächen findet, ebenfalls.

Falls aber die Fragestellung und die Methode Ähnlichkeiten zu Euch, Eurem Geschäft oder Eurer Fragestellung hat, dann sind diese Studien sehr hilfreich. Vor allem aber helfen Sie uns feste Meinungen wieder zu überdenken.

Ich habe selbst Nutzer bei der Lösung von Suchaufgaben beobachtet. Es ist immer wieder erhellend, wie tief wir doch in der Materie drinnen stecken. Vor allem Videoaufnahmen und ähnliche helfen extrem, wenn man sich wieder auf den Boden holen will. Die Probleme normaler Anwender sind doch komplett anders, als wir oft denken!

Intermezzo: Qualitative Methoden werden IMHO oft falsch durchgeführt. Immer wieder kommen mir Untersuchungen unter, bei denen n=18 Probanden auf 25 Zielgruppen aufgeteilt werden. Das ist statistischer Wahnsinn und keine Forschung!

Wer aber qualitative Methoden nutzt um neue Hypothesen zu generieren und grobe Probleme auf der eigenen Website zu finden, wird einiges lernen. Lösungen liefern diese Methoden aber nicht und am Ende müssen Ergebnisse immer qualitativ überprüft werden.

Quantitative CTR-Studien

Quantitative CTR-Studien beruhe auf der Auswertung von Logfiles oder ähnlichen Daten. Diese Studien liefern vollumfängliche Daten darüber, was wirklich passiert ist. Und da sie passiv erhoben werden, wird der Anwender auch nicht in seiner Anwendung gestört (was auch beim Mouse-Tracking gilt).

Da man den Anwender aber nicht kennt, kann man das “Warum” nicht klären.

Was jetzt so schon objektiv klingt ist es leider nicht. Hier liegt die Tücke in der Berechnung der Daten. Ihr kommt bei diesen Studien ebenfalls nicht um das Lesen der Studien herum. Nur mit den bunten Bildchen und Grafiken ist es leider auch bei den quantitativen Studien nicht getan, Sorry.

Bekannt wurde diese Studienart erstmalig durch die Suchlogs die AOL im Jahr 2006 abhanden gekommen sind. SISTRIX hat dazu die Folgende Auswertung veröffentlicht:

SISTRIX-AOL-2006-SERP-CTR
SISTRIX AOL CTR-Auswertung 2006

Diese Auswertung zeigt gut, zu welchen Problemen es bei qualitativen Auswertungen kommen kann. Die Auswertung von Johannes ist mathematisch absolut korrekt. Die Schlussfolgerungen in vielen SEO-Blogs aber leider nicht. Frei nach dem Motte Datenverdichtung ist Datenvernichtung wird bei der Interpretation vergessen, dass sich navigationsorientierte Suchanfragen fundamental von allen anderen Suchanfragen unterscheiden. Wer navigationsorientiert sucht, sucht keine Information. Diese Nutzer wollen zu einer bestimmten Seite und suchen den Weg dorthin. Sprich, sie suchen den Spiegel, Google oder Facebook. Und diese Nutzer klicken idR den ersten Treffer und nichts anderes. Ein Grund warum Google uns mit immer längeren und größeren Sitelinks beglückt.

Vergleichend dazu eine Auswertung von uns aus 08/2008. Es handelt sich um die CTR-Verteilung innerhalb der SERP der t-online Suche:

serp-ctr-jahreswagen-2008
SERP CTR Jahreswagen 2008

Wenn wir die allgemeinen Daten von SISTRIX mit den konkreten Daten von uns vergleichen, dann  haben wir eine Differenz der CTR zwischen beiden von 13,14 Prozentpunkten oder 31% ausgehend vom SISTRIX-Wert.

Aber selbst unser Durchschnittswert ist nicht wirklich nützlich. Immerhin schwanken die Werte zwischen 18,22% und 42,50%.

Um solche Schwankungen zu verstehen, muss man sich die zugehörige SERP ansehen. Folgendes Beispiel zur Verdeutlichung:

SERP-CTR Auswertung Potsdam 2010
SERP-CTR Auswertung Potsdam 2010

Diese Daten stammen vom Sommer letzten Jahres. Wir haben den Vorteil, keine Universal-Ergebnisse anzuzeigen. Google versucht mittlerweile recht häufig die Nutzererwartungen zu antizipieren und sowohl Universal Search Ergebnisse anzuzeigen als auch Rankingprofile ad-hoc anzupassen. Für unser einfaches Beispiel würden diese die Auswertung aber nur erschweren.

Die SERP zeigt, dass der erste Treffer für viele Nutzer eine gute Wahl zu sein scheint. Treffer Zwei und Drei sind von der selben Domain. Der Titel des dritten Treffer ist offensichtlich klickattraktiver. Das etwas gestelzte “Eine europäisch geprägte Stadt” lässt wohl eher kommunales Marketing-blabla erwarten. Potsdam entdecken klingt aktiver und einladender.

Die Wikipedia als reine Informationsquelle ist wiederum weniger angesagt. Der Treffer für die Hotels ist da schon hilfreicher. Vor allem aber der sechste Treffer bringt mit dem Schloss Sanssouci einen bekannten, in dieser SERP neuen und spezifischeren Aspekt, der offensichtlich gefällt.

Dieses Klickverhalten sehen wir oft. Spezifischere Aspekte, die sich im Titel der Seite niederschlagen, führen oft zu einer höheren CTR als es die Position des Treffer vermuten lässt.

Achtet deshalb unbedingt auf Eure Titel. Die CTR hängt davon maßgeblich ab, ob ihr die Nutzererwartung trefft!

Wichtig ist, dass Ihr Euch nicht auf allgemeine CTR-Angaben von Studien verlasst, wenn Ihr für Euch einen Traffic-Forecast berechnen wollt. Wer keine eigenen Daten hat und wenn Google nicht demnächst auch Daten in großem Umfang verliert, dann könnt ihr die Google Webmaster Tools heranziehen. Dort werden die CTRs zu Euren Positionen angegeben:

Beispiel Google Webmaster Tools CTR-Auswertung
Beispiel Google Webmaster Tools CTR-Auswertung

Leider könne diese Daten nur Anhaltspunkte liefern. Die Daten sind einerseits gnadenlos normalisiert. Andererseits sind die Google-SERPs durch Universal und dynamischen Rankinganpassung dermaßen volatile, dass die Daten der letzten 30 Tage (Zeitrahmen der Webmaster-Tools) nicht zwingend auf einer stabilen Umgebung beruhen. Aber immerhin besser als Standard-CTRs aus Studien sind die Daten auf jeden Fall.

Quantitative CTR-Studie auf Basis der Webanalyse

Die oben bereits erwähnte SERP-Studie beruht auf Daten aus der Webanalyse der teilnehmenden Websites. Dieser Ansatz ist erfrischend neu, hat aber seine eigenen Tücken. Diese werde ich aber in einem folgenden Post erläutern.

Fazit:

Was bleibt als Erkenntnis für die tägliche Arbeit:

1. Die CTR-Raten aus Studien sind für die eigenen Angebote nicht zu gebrauchen. Pauschalisierungen sind nicht alltagstauglich. Ein Abgleich mit Euren Daten ist unumgänglich

2. Einzig an der Suchanfrage alleine lassen sich die Intentionen der Suchenden schwer antizipieren. Prüft die für Euch relevanten SERPs nach den unterschiedlichen Informations- und Angebotsarten der rankenden Seiten.

Wichtig ist, dass Ihr zu Euren Themen vor anderen Seiten zum selben Themenbereich rankt. Ihr bekommt dann idR den Traffic für den jeweiligen Aspekt der Suchanfrage, den Ihr inhaltlich bedient. Der Restliche Traffic ist meist weniger nützlich (gilt natürlich nicht, wenn Ihr Euch über TKP-Modelle refinanziert. Dann kann Euch die Qualität des Traffics egal sein).

(Bild: Stock Photo ID: 52131652 Copyright: VLADGRIN)

Jens Fauldrath
Jens Fauldrath
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  18. Ich mag gut durchdachte Artikel, also auch diesen hier. Der für mich wichtigste Satz: „Spezifischere Aspekte, die sich im Titel der Seite niederschlagen, führen oft zu einer höheren CTR als es die Position des Treffer vermuten lässt.“

    Es gibt ein Paper von Google (Predicting Bounce Rates in Sponsored Search Advertisements) dass sich zwar auf Werbung bezieht aber vermutlich auch auf organische Ergebnisse übertragen lässt. Hier zeigen eine paar schlaue Köpfe dass sich mit den Informationstriplet Suchphrase, Anzeigentext und Inhalt der Zielseite maschinell vorhersagen lässt ob ein User Bounced oder nicht.

    Der Titel im SERP ist also nicht nur wichtig, sondern sollte natürlich auch noch zur Suchphrase passen.

    Grüße aus München!

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  21. Hallo Jens, wieder mal nen schöner Beitrag. Sehe ich ähnlich. Wir versuchen gerade eine ähnliche Untersuchung auf die Beine zu stellen, die aber neben den organischen Ergebnissen auch die AdWords Anzeigen mit einbezieht. Doch je mehr man sich damit befasst desto stärker sinkt die Motivation. Die Aussage, dass navigationsorientierte Keywords zum Besuch der gesuchten Domain führen können wir über unsere AdWords Kampagnen Branchenübergreifend auch nicht ausnahmlos bestätigen. Suchanfragen wie „www adidas com“ führen teilweise auch sogar zu Conversions und wir haben nicht Adidas als AdWords Kunden … Zudem ist es schwer mehrere Klicks pro Suchanfrage von z.B. Usern die den Zurückbutton betätigt haben zu berücksichtigen. Zu den Webmaster Tools muss ich leider sagen, dass die Ergebnisse teilweise immer noch mehr als fragwürdig sind, was z.B. Keyword Positionen angeht. Da kann ich dann auch nicht auf die wahrheitsgemäße Ausgabe der CTRs setzen…

  22. Besser analysieren und formulieren könnte man es kaum. Tolle Arbeit Jens! Hast du auch vor die Wirkung von CTR auf die Positionierung zu analysieren?

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  27. Studien und Ergebnisse solcher Analysen sind aber nicht immer Real.
     
    Hallo,
     
    ich habe schone einige Artikel über die CTR in den SERP’s gelesen. Und immer werden Pi mal Daumen Zahlen genannt, an die man sich dann auch zu richten versucht.
     
    Nun, eines der Projekte das ich bearbeite, hat ein Lokales Suchvolumen von 1.220.000 im Monat. (Quelle: google adword’s Keywordtool Begriff: „games for free“). Die Website rankt auf Platz 5. https://www.online-games-for-free.com/
     
    Nach den Daten die solche Studien zeigen, müsste ich zwischen  5-14% der Suchenden auf meine Website bekommen. Egal ob diese abspringen, oder auf der Website bleiben.
     
    Laut google Analytics habe ich etwas über 1.000 Besuche im Monat. Viele kommen aus den Social Media, andere von weiteren Keywords. Im Tool wird angezeigt, dass über den bestimmten Suchbegriff etwa 30 Clicks auf die Website komen. Das sehe ich Monat für Monat. Aber weder verliert die Seite an Rankings, noch kommen die Besucher.
     
    Also kann ich nachdem nicht wirklich sagen, dass bei einem Rank in den Top10 der Besucherzufluss wirklich nach den Angaben wahrzunehmen ist. Viel mehr konzentriere ich mich darauf die Inhalte zu verbessern, (Wer die Seite kennt, weiß was für 3 Euro Texte da früher mal drauf waren 😀 [SEO Typisch]) und Analysiere woher die meisten Nutzer kommen und konzentriere mich darauf diese Besucher zu befriedigen um die Konversionen zu verbessern.
     
    Hier  ist zwar ein Artikel vom 24 Aug. 2011, aber er rankt mit -serp ctr- auf Platz 1. Darum ist er auch leicht aufzufinden. Also schreib ich auch hier.
     
    lg
    Stavros

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